Zur Architektenhaftung
Quelle: 3/2001 TEC21
Jürg Gasche, Rechtsdienst SIA
(Rechtsauskunft Di. Mi 9-12,
Tel. 01/2831510 oder e-mail jus@sia.ch)
"... Gemäss den SIA -Normen haftet der Architekt lediglich für die getreue und sorgfältige Ausführung des Auftrags. Das bedeutet, dass dem Architekten ein Verschulden nachgewiesen werden muss - und das kann schwierig werden. Laut SIA-Vertrag hat der Architekt seinen Auftrag bereits erfüllt, wenn er die Handwerker anhält, die Mängel zu beheben - ein Erfolg ist nicht geschuldet. Solche Verträge müssen entsprechende ergänzt werden."
Auf dieser Aussage des Autors Marc Caprez in der Baslerzeitung hat Jürg Gasche vom Rechtsdienst des sia reagiert. Auch Marc Caprez hat seinen Standpunkt verdeutlicht.
Der Sinn der sia Ordnung 102 ist nicht der Schutz der Architekten Die Leistungs- und Honorarordnung des sia enthält zum einen Jahrzehnte altes Know-how, das für die Gestaltung einer brauchbaren Vertragsbeziehung zwischen Bauherr und Architekt unerlässlich ist. Die Aufgaben eines Architekten und die Leistungen die er zu erbringen hat, damit das Projekt des Bauherrn zu einem guten Ende kommt, sind definiert. Auch die Grundsätze für die Honorarberechnung aufgestellt und verschiedene Berechnungsarten detailliert umschrieben, so etwa der Zeittarif, d.h. die Honorarberechnung nach Zeitaufwand oder der Kostentarif, d.h. die Honorarberechnung in Prozent der Baukosten. Dies sind äusserst nützliche Informationen für einen Bauherrn, der mehrere hunderttausend Franken in ein Haus investieren will. Deshalb sollte er sich die Zeit nehmen, die 32 Seiten der Leistungs- und Honorarordnung durchzulesen und sich seine eigenen Gedanken dazu zu machen. Für die Qualität und Ausgewogenheit der Leistungs- und Honorarordnung spricht, dass sich auch Gerichte immer wieder an dieser Ordnung orientieren, wenn sie entscheiden müssen ob ein Architekt seine Arbeit gemacht hat, respektive was zur getreuen und sorgfältigen Ausführung seines Auftrages gehört. Mit der Leistungs- und Honorarordnung für Architekten hat der sia einen Standard für Architektenleistungen geschaffen, der allgemein als gut anerkannt und für den Bauherrn, der sie zur Grundlage seines Vertrages mit dem Architekten macht, von grossem Nutzen ist.
Die Haftung
"Ein Erfolg ist nicht geschuldet.....".
Bei dieser Kritik denkt M. Caprez an die Regel aus dem Werkvertragsrecht, gemäss welchem der Vertrag erst erfüllt ist, wenn das Werk mängelfrei abgeliefert wird. Gegenüber allen Handwerkern mit denen der Bauherr einen Werkvertrag abgeschlossen hat, steht ihm dieser Anspruch der Mängelfreiheit auch zu. Die Rolle des Architekten ist es nicht, die Mängel, die das Ergebnis ungenügender Leistung der Bauhandwerker ist, selbst zu beheben und in diesem Sinn für den "Erfolg" geradezustehen.
Nur wenn ein Mangel auf ungenügende Planung oder Bauleitung des Architekten zurückzuführen ist, trägt er dafür die volle Verantwortung und wird direkt haftbar. Im übrigen "hat (er) die Unternehmer und Liederanten zur Mängelbehebung aufzubieten und deren Arbeiten zu überwachen. Das erfordert häufig, dass er vorerst die Ursache von Mängeln festzustellen hat. Gegebenenfalls hat er dem Bauherrn den Beizug von spezialisierten Experten zu empfehlen." Falsch ist, wenn Herr Caprez behauptet, der Architekt habe seinen Auftrag schon erfüllt, wenn er die Handwerker anhält die Mängel zu beheben. Er ist vielmehr verantwortlich den Handwerkern Fristen zu setzen, und falls sie ihre Arbeit nicht innert den Fristen erledigen, den Bauherrn dabei zu unterstützen, seine Mängelrechte wahrzunehmen, das heisst die Mängel auf Kosten des säumigen Handwerkers durch einen anderen Handwerker beheben zu lassen. Gerade durch seine unabhängige Stellung kann der Architekt gegenüber den Handwerkern, die durch Werkverträge zur Ablieferung eines mängelfreien Werkes verpflichtet sind, kompromisslos auftreten, denn die Mängelbehebung geht ihm nicht "ans eigene Portemonnaie". Der Bauherr hat mit dem Architekten somit gerade in einer schwierigen Situation einen Baufachmann auf seiner Seite.
Ein Architekt der, wie es M. Caprez wünscht, selbst für den "Erfolg" einzustehen hätte, müsste, wenn der Handwerker die Mängel nicht beseitigen will, selbst den Ersatzhandwerker finanzieren. Ein solcher Architekt wäre nicht mehr kompromisslos dem Bauherrn verpflichtet, denn um sein Portemonnaie zu schonen, könnte er auf die Idee kommen, Mängel zu beschönigen um sie nicht beheben zu müssen. Mit der "Erfolgshaftung" wie sie M. Caprez vorschwebt, würden die Architekten per Vertrag zu Total- oder Generalunternehmern gemacht, bei denen Planung und Ausführung aus einer Hand kommt. Bei den vielen Klagen, die ich bei der telefonischen Rechtsberatung über das Verhalten von etlichen Generalunternehmern höre, auch keine optimale Lösung.
Die Idee 10% des Architektenhonorars ist nicht ganz fair: Der Architekt hat normalerweise im Zeitpunkt der Abnahme des Bauwerks bereits weit über 90% seiner Leistung erbracht. Ein Rückbehalt von 10% hiesse also die erbracht Leistung nicht voll zu honorieren.
In den neuen allgemeinen Vertragsbedingungen für Architektenverträge, die vom sia im Dezember verabschiedet wurden und, die im Frühjahr 2001 herausgegeben werden, ist eine faire Regelung vorgesehen:
"Umfasst der Vertrag die Leitung von Arbeiten zur Behebung von Mängeln des Bauwerkes, kann der Auftraggeber 3% des gesamten vertraglich vereinbarten Honorars bis zur Behebung der während der Garantiefrist (Rügefrist) gemäss sua 118 gerügten Mängel zurückbehalten." Ebenso wichtig wie die sorgfältige Vertragsgestaltung ist die Auswahl kompetenter Fachleute. Dabei lohnt es sich, wenn es um eine grössere Investition geht, einige Referenzen - auch über die Praxis der Mängelbehebung - einzuholen.
Jürg Gasche