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Naturgefahren

Echte Naturgefahren stehen ausserhalb der Kultur und damit ausserhalb des Rechtsbereichs. Es kann niemand dafür verantwortlich gemacht werden. Beim menschlichen Umgang mit Naturgefahren können sich aber vielfältige Rechtsfragen ergeben, so beim Feststellen und Prognostizieren von Naturgefahren, bei ihrer prophylaktischen oder akuten Abwehr sowie bei der Gefahrenvergrösserung durch menschliche Massnahmen. Dabei geht es vor allem um Fragen der Haftung und Verantwortung, aber auch um Aspekte der Eingriffs- und Entscheidungskompetenz.

GRUNDSÄTZLICHES

A. Die Beziehung zwischen Naturgefahren und der Rechtsordnung

Recht gibt es nur in der menschlichen Kultur . Damit stehen wirkliche Naturgefahren als Ausdruck von unkontrollierter Naturgewalt ausserhalb des Rechts.

Sobald sich aber Menschen mit den Naturgefahren beschäftigen, entstehen nicht nur faktische, sondern sofort auch rechtliche Bezüge und rechtliche Fragen. Dabei gibt es für jede Art dieser menschlichen Handlungen in bezug auf Naturgefahren entsprechende Rechtsprobleme und jeweils unterschiedliche rechtliche Ansätze. Die meisten Tätigkeiten, die sich auf Naturgefahren beziehen, müssen unter zivil- und strafrechtlichen Aspekten und meist auch unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Rechts beurteilt werden.

Eine rechtliche bedeutsame Handlung kann entweder in einer Tätigkeit (etwas Tun) oder aber in einer Unterlassung (etwas nicht tun) bestehen. Die Unterlassung ist aber nur dann rechtlich bedeutsam, wenn eine Person aufgrund einer Garantenstellung hätte handeln müssen. Eine solche Garantestellung kann sich aufgrund eines Auftrages oder aufgrund einer beruflichen Stellung (Anstellung) ergeben. So hat ein beauftragter Bergführer eine Garantenstellung gegenüber den von ihm geführten Personen und ein Pistenchef einer Luftseilbahn eine Garantenstellung gegenüber den Benutzern der Bahn und des Skigebietes . Eine Garantenstellung kommt aber auch einem Fremdenverkehrsverein zu, der eine Wanderkarte oder Wandervorschläge veröffentlicht. Ein solcher Garant muss sich um die Naturgefahren kümmern und seine Dispositionen darnach ausrichten.

Spricht man von einem rechtlichen Bezug des menschlichen Verhaltens im Zusammenhang mit Na-turgefahren, so dürfte meist die Frage des Haftpflichtrechts und der strafrechtlichen Verantwortung im Vordergrund stehen. Es gibt aber auch Fragen der Handlungs- und Anordnungskompetenz (wer darf und muss Strassen oder Bahnlinien sperren oder Evakuationen anordnen usw.), die rechtlich zu beantworten sind.

Überall dort, wo es um die haftpflichtrechtliche oder strafrechtliche Verantwortung geht, spielt die Frage nach dem adäquaten (rechtserheblichen) Kausalzusammenhang eine wichtige Rolle: Eine Person wird nämlich nur dann verantwortlich, wenn zwischen ihrem Handeln (Tun oder Unterlassen) und dem Eintritt eines Schadens oder eines verpönten Ereignisses ein genügend enger Ursachenzusammenhang besteht. Da dieser Nachweis gerade im Zusammenhang mit Naturgefahren nur sehr eingeschränkt möglich ist, kommt es recht häufig auch zu einem Einstellen oder Scheitern solcher Verantwortlichkeitsverfahren. Diese strengen Anforderungen an den Nachweis des adäquaten Kausalzusammenhangs wirken sich praktisch entlastend für die handelnden Personen aus.

Im Bereich des Haftpflichtrechts kommt es auch entscheidend darauf an, ob ein Schaden vorliegt. Dabei wird rechtlich unter einem Schaden ausschliesslich eine Vermögensverminderung (negative Abweichung des Ist-Vermögens gegenüber dem Soll-Vermögen) verstanden. Hingegen bilden andere negative Auswirkungen (Schmerzen, Verlust an Lebensgenuss) keinen Schaden im haftpflichtrechtlichen Sinn. Es besteht hier eine Differenz zum alltäglichen Sprachgebrauch.

B. Rechtsgebiete

Auch im Zusammenhang mit den Naturgefahren lässt sich die Rechtsordnung im üblichen Sinne gliedern und unterteilen. Es ist folgenden Differenzierung Rechnung zu tragen:

Öffentliches und ziviles Recht

Die Rechtsordnung muss in die beiden getrennten Rechtsgebiete des öffentlichen Rechts und des Privatrechts (Zivilrecht) unterteilt werden. In beiden Fällen handelt es sich aber um eine staatliche Rechtsordnung.

Das öffentliche Recht regelt die Pflichten und Rechte, das Tun und Lassen der öffentlichen Körperschaften (Bund, Kantone, Gemeinden, Gemeindeverbände) und ihrer Organe sowie das hoheitliche Verhältnis zwischen diesen Körperschaften und den einzelnen Menschen.

Im Bereich des Schutzes vor Naturgefahren regelt das öffentliche Recht die Pflichten der öffentlichen Körperschaften sowie die Befugnisse dieser Körperschaften zu Eingriffen in die persönlichen Rechte einzelner (natürlicher oder juristischer Personen) aus Schutz- und Sicherungsgründen.

Zum öffentlichen Recht gehört auch der Bereich der strafrechtlichen Verantwortung.

Das Privatrecht regelt grundsätzlich die Beziehungen zwischen gleichberechtigten Personen (natürliche und juristische) sowie auch zwischen Personen und öffentlichen Körperschaften, sofern diese nicht hoheitlich auftreten.

Beim Schutz vor Naturgefahren sind vor allem die Fragen der Haftpflicht (Regelung des An-spruches auf Schadenersatz) privatrechtlich geregelt.

Das Privatrecht legt aber auch die Pflichten privater Personen (z.B. Seilbahnen, Hotelbesitzer usw.) zu Schutzmassnahmen fest.

Überdies unterstehen alle Fragen des Vertragsrechts dem Privatrecht.

Bundesrecht und kantonales Recht

Aufgrund der föderalistischen Struktur gibt es in der Schweiz sowohl auf der Bundes- wie auch auf der Kantonsebene Rechtsordnungen.

Während die Regelungen des Bundes für die ganze Schweiz gelten, beziehen sich die kantonalen Regelung naturgemäss nur auf das Gebiet eines Kantons.

Grundsätzliche Kompetenzverteilung im schweizerischen Bundesstaat

In der Schweiz liegen grundsätzlich alle Kompetenzen bei den Kantonen, soweit dem Bund nicht durch die Bundesverfassung die Zuständigkeit für einen bestimmten thematischen Bereich zugewiesen ist (Art. 42/43 BV).

Selbst dort aber, wo der Bund die Gesetzgebungskompetenz zugewiesen hat, bleibt die Vollzugs- und Umsetzungskompetenz grundsätzlich bei den Kantonen (Art. 45 BV).

Grobe Unterteilung zwischen Bundesrecht und kantonalem Recht

Während das Privatrecht (ZGB, OR) sowie das Strafrecht im wesentlichen auf Bundesebene und somit einheitlich geregelt sind, liegt das Schwergewicht des öffentlichen Rechts bei den Kantonen, obwohl dem Bund durchaus auch gewisse Regelungskompetenzen zufallen.

C. Bauliche und organisatorische Schutzmassnahmen und ihre Rechtsgrundlagen

Das gesamte Recht um den Schutz vor Naturgefahren lässt sich in zwei Hauptkategorien unterteilen, in die Vorschriften über die baulichen Schutzmassnahmen und in die Vorschriften über die organisatorischen Schutzvorkehren unterteilt werden. Dabei regeln die Normen über die organisatorischen Schutzmassnahmen sowohl die Planungsmassnahmen (Ausscheiden von Gefahrenzonen usw.) als auch den Schutz vor akuten Gefahren (Warndienste, Sperrungen, Evakuationen usw.).

Ausdrücklich wird diese Unterscheidung in keinem Gesetz erwähnt. Praktisch ist diese Differenzierung aber sehr wichtig. Dabei kann man sagen, dass die baulichen Schutzmassnahmen viel stärker und detaillierter geregelt sind als der Schutz auf organisatorischer Ebene.

Schutz vor Naturgefahren

bauliche Schutzmassnahmen organisatorische Schutzmassnahmen

Planungsmassnahmen Warndienste

Bundesrechtliche Grundlagen

Beschränkte Kompetenzzuweisung an den Bund durch die Bundesverfassung

Eine klare Zuständigkeitszuweisung an den Bund gibt es im Bereich des Schutzes vor Naturgefahren nicht. Seit jeher wird aber aus der Bestimmung von Art. 77 Abs. 1 BV , wonach der Bund dafür zu sorgen hat, dass der Wald seine Schutz-, Nutz- und Wohlfahrtsfunktionen erfüllen kann, das Recht des Bundes abgeleitet, gewisse Regeln für den Schutz vor Naturgefahren aufzustellen.

Auch aus Art. 75 BV (Verpflichtung des Bundes im Rahmen der Raumplanung für eine zweckmässige Bodennutzung und eine geordnete Besiedlung des Landes zu sorgen) kann man ableiten, der Bund habe sich mit den Naturgefahren zu befassen.

Dies ändert aber nichts daran, dass die Kompetenzen für den Schutz vor Naturgefahren und pri-mär bei den Kantonen liegen. Dies gilt beim organisatorischen Schutz noch stärker als bei den baulichen Schutzmassnahmen.

Das Waldgesetz und die Waldverordnung

Waldgesetz

Dem Waldgesetz (WaG) (SR 921.0) wird in Art. 1 Abs. 2 WaG die Aufgabe zugewiesen, einen Bei-trag für den Schutz der Menschen und erheblicher Sachwert vor Lawinen, Rutschungen, Erosion und Steinschlag (Naturereignisse) zu leisten . Das ist auf Bundesebene die Grundnorm aller Schutzmassnahmen.

Dieser Grundsatz wird dann in Art. 19 WaG wie folgt präzisiert:

Wo es der Schutz von Menschen oder erheblichen Sachwerten erfordert, sichern die Kantone die Anrissgebiete von Lawinen sowie Rutsch-, Erosions- und Steinschlaggebiete und sorgen für den forstlichen Bachverbau. Für die Massnahmen sind möglichst naturnahe Methoden anzuwenden.

Die Regelung von Art. 19 WaG ist insofern neu, als eine derart klare und eindeutige Aussage im alten Forstpolizeigesetz nicht enthalten war.

In Art. 36 WaG wird dann noch eine Grundlage für Bundessubventionen an die Kosten des Erstellens oder Wiederinstandstellens von Schutzbauten und -anlagen geschaffen.

Damit ist klar, dass sich diese bundesrechtlichen Anordnungen in erster Linie auf bauliche Massnahmen beziehen. Sie legen in erster Linie fest, dass die Kantone in diesem Bereich handeln müssen und sich nicht frei entscheiden können, ob sie handeln wollen, wie dies nach Art. 43 BV eigentlich der Fall wäre.

Waldverordnung

Die vom Bundesrat erlassene Waldverordnung (WaV) (SR 921.01) konkretisiert den Schutz vor Na-turereignissen weiter wie folgt:

Die Kantone werden vorab verpflichtet (Art. 15 Abs. 1WaV), die für den Schutz vor Naturereignissen notwendigen Grundlagen zu erarbeiten und zusammenzustellen. Dazu gehören insbesondere Gefahrenkataster und Gefahrenkarten. Dabei müssen die Kantone die von den Fachstellen des Bundes entwickelten Richtlinien und Studien beachten. (Art. 15 Abs. 2 WaV). Die Kantone werden dann angehalten, diese so erarbeiteten Grundlagen bei der Richt- und Nutzungsplanung im Sinne des Raumplanungsgesetzes zu beachten (Art. 65 Abs. 3 WaV)

In Art. 16 WaV werden die Kantone dann weiter verpflichtet, die erforderlichen Frühwarndienste aufzubauen, soweit dies für den Schutz von Menschen und für den Schutz erheblicher Sachwerte notwendig ist. Insbesondere haben die Kantone die dazu gehörigen Messstellen und Informationssystem aufzubauen. Auch hier haben sie die Richtlinien und Studien zu beachten. Man kann also festhalten, dass diese Bestimmungen von Art. 15 und 16 WaV die bundesrechtliche Grundlage für die organisatorischen Schutzmassnahmen bildet.

Schliesslich befasst sich Art. 17 WaV im Detail mit den notwendigen baulichen Sicherungsmassnahmen. Im speziellen geht es nach Art. 17 Abs. 1 lit. b WaV um bauliche Massnahmen zur Verhinderung von Lawinenschäden und ausnahmsweise die Erstellung von Anlagen zur vorsorglichen Auslösung von Lawinen.

Forschungstätigkeit

Im Forschungsbereich gibt Art. 31 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 WaG dem Bund die Kompetenz Forschungen über den Schutz vor Naturgefahren in Auftrag zu geben und zu unterstützen sowie entsprechenden Forschungsstellen zu unterhalten. Konkret bildet die Verordnung über die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL-Verordnung, SR 414.164), welche sich auf das ETH-Gesetz stützt, auch die Grundlage für de Arbeit des SLF.

Raumplanungsrecht

Das Raumplanungsgesetz (RPG) (SR 700), welches die bereits oben erwähnte verfassungsmässige Verpflichtung von Art. 75 BV zur Planung einer zweckmässigen und haushälterischen Bodennutzung sowie zu einer geordneten Besiedlung des Landes konkretisiert, befasst sich nicht sehr präzis mit dem Schutz vor Naturgefahren.

Lediglich in Art. 6 Abs. 2 lit. c RPG werden die Kantone zur Feststellung derjenigen Gebiete ver-pflichtet, welche durch Naturgefahren oder schädlichen Einwirkungen bedroht sind. Hingegen enthält das Raumplanungsgesetz keine ausdrückliche Verpflichtungen, in den Nutzungsplänen eigentliche Gefahrenzonen auszuscheiden. Da aber Richtpläne behördenverbindlich sind, enthält die Feststellungspflicht von Art. 6 Abs. 2 lit. c RPG indirekt wenigstens ein Verbot, in gefährdeten Gebieten Nutzungszonen einzurichten.

Strassenverkehrsrecht

Der ganze Bereich des öffentlichen Strassenverkehrs ist bundesrechtlich geordnet. Die Grundlage dazu liegt in Art. 82 BV. Vollzogen ist die Regelung im Strassenverkehrsgesetz (SVG) (SR 741.01) sowie in sehr vielen dazu gehörigen Erlassen.

Soweit der Schutz vor akuten Naturgefahren Auswirkungen auf den Strassenverkehr hat, sind daher auch die bundesrechtlichen Regeln des SVG zu beachten.

Eine wichtige Grundlage stellt dabei Art. 3 Abs. 4 SVG dar. Diese Norm gibt den Kantonen generell das Recht, andere Beschränkungen oder Anordnungen zu erlassen, soweit ......die Sicherheit.....oder andere in den örtlichen Verhältnissen liegende Gründe dies erfordern .

Dabei gibt dann Art. 3 Abs. 6 SVG noch die spezielle Kompetenzordnung: In besonderen Fällen kann die Polizei die erforderlichen Massnahmen treffen, namentlich den Verkehr vorübergehend beschränken oder umleiten.

Interessanterweise werden diese knappen gesetzlichen Vorschriften durch die Verkehrsregelverordnung (VRV; SR 741.11) in keiner Weise ergänzt oder präzisiert.

Eisenbahngesetz

Das Eisenbahngesetz (EBG) (SR 742.101) enthält in Art. 19 EBG die generelle, nicht näher um-schriebene Verpflichtung der Eisenbahnunternehmung, alle Vorkehrungen zu treffen, die für einen sicheren Eisenbahnverkehr notwendig sind. Wenn auch damit nicht in erster Linie Schutzmassnahmen vor Naturgefahren gemeint sind, so fallen doch sowohl die baulichen wie die organisatorischen Schutzmassnahmen unter diese Verpflichtung.

Zivilschutzgesetz

Das Zivilschutzgesetz (ZSG) (SR 520.1) kann zur eigentlichen Grundlage des gesamten Schutz-dienstes vor akuten Naturgefahren in der Schweiz werden. Die Umschreibung des Zweckes des Zivilschutzes in Art. 2 ZSG legt dies durchaus nahe; praktisch wird dieser Schluss aber nicht oder kaum gezogen.

Gemäss Art. 2 ZSG bezweckt der Zivilschutz den Schutz der Bevölkerung vor den Auswirkungen von Katastrophen, Notlagen und bewaffneten Konflikten und er trägt zur Bewältigung solcher Ereignisse bei. Gemäss Art. 3 lit. b ZSG gehört zu den Aufgaben des Zivilschutzes die Alarmierung der Bevölkerung und Verbreitung von Verhaltensanweisungen.

Dabei sind für die Umsetzung der Zivilschutzmassnahmen nach Art. 7 ZSG primär die Gemeinden zuständig.

Weisungsrecht und Befolgungspflicht

Wichtig ist auch, dass in Art. 28 ZSG eine generelle Pflicht für jedermann begründet wird, den behördlichen Anordnungen Folge zu leisten. Die Missachtung dieser Pflicht wird in Art. 66 Abs. 3 lit. c ZSG zudem als Übertretung strafbar erklärt und mit Haft oder Busse als Sanktion bedroht.

Strafrecht / Strafgesetzbuch

Das schweizerische Strafgesetzbuch (StGB) (SR 311.0) enthält keine besonderen Vorschriften über Gefährdungen oder Verletzungen zufolge der Verletzung von Schutzvorschriften vor Naturgefahren. Insbesondere ist im siebten Titel "Gemeingefährliche Verbrechen oder Vergehen" keine diesbezügliche Regelung enthalten.

Hingegen finden die generellen Vorschriften wie fahrlässige Körperverletzung (Art. 125 StGB) oder fahrlässige Tötung (Art. 117 StGB) auch auf den Schutzdienst Anwendung.

Kantonalrechtliche Grundlagen

Vorbemerkung 1

Wie oben erwähnt, gehört es zum Föderalismus, dass jeder Kanton seine eigene und spezielle kantonalrechtliche Regelung erlassen und haben kann. Es ist daher nicht möglich, eine generelle gesamtschweizerische Regelung darzustellen.

Vorbemerkung 2

Wie die Abklärungen bei den verschiedenen Kantonen gezeigt haben, bestehen einige Vorschriften in bezug auf die baulichen Schutzmassnahmen, die sich regelmässige an die bundesrechtlichen Vorgaben anschliessen. Umgekehrt bestehen aber erstaunlicherweise kaum konkrete Vorschriften betreffend über den organisatorischen Schutz vor Naturgefahren wie z.B. den Lawinenwarndienst oder andere Organisationen für die Warnung von Naturgefahren. Wir bewegen uns daher weitgehend im Bereich des ungeschriebenen Rechts bzw. des Gewohnheitsrechts. Zudem müssen wir uns stark an allgemeinen Rechtsgrundsätzen orientieren.

Polizeirechtliche Generalklausel

Die polizeiliche Generalklausel zählt zu den ungeschriebenen Verfassungsgrundsätzen (BGE 106 Ia 58, 103 Ia 449).

Sie hat ihre Grundlage in folgenden Umständen: Es gehört zu den fundamentalen Aufgaben des Staates, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu bewahren und zu schützen (Nachtwächter-staat). Es geht darum, alle Gefahren abzuwehren, welche diese öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden könnten. Dieser Schutzaufgabe entspricht die Polizeifunktion des Staates , Nun treten die Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in sehr vielfältiger, sich stetig wandelnden und keineswegs immer voraussehbarer Form auf. Es ist daher gar nicht möglich, dass der Gesetzgeber im voraus all diese Gefahren erkennen und deren Abwehr regulieren könnte, wie es das Prinzip der Gesetzmässigkeit des staatlichen Handelns (Legalitätsprinzip) eigentlich verlangen würde (BGE 103 Ia 312).

Aus diesem Grund braucht es die polizeiliche Generalklausel, wenn der Staat seine Schutzfunktion auch gegenüber neuen oder neuartigen Gefahren sofort wahrnehmen soll.

Die polizeiliche Generalklausel darf, wenn das Legalitätsprinzip nicht ausgehöhlt werden soll, nur sehr zurückhaltend eingesetzt und angewandt werden. Lehre und Rechtssprechung verlangen eine schwere, unmittelbare und dringliche Gefahr, die nicht anders als durch Eingriffe abgewehrt werden kann, die sich auf diese polizeiliche Generalklausel abstützten (BGE 100Ia 144).

Selbstverständlich muss auch bei der Anwendung der polizeilichen Generalklausel das Verhältnis-mässigkeitsprinzip gewahrt werden, das durch Art. 5 Abs. 2 BV garantiert wird. Der Eingriff darf daher immer nur soweit gehen, als er durch das öffentliche Interesse unbedingt gefordert wird. Es muss auch immer die schwächste der Massnahmen getroffen werden, die gerade noch ausreichend ist.

Zudem hat die polizeiliche Generalklausel ganz klar eine lediglich subsidiäre Bedeutung und Natur (BGE 106 Ia 58), das heisst, es muss immer zuerst versucht werden, mit konkreten Vorschriften aus Gesetzen und Verordnungen zum Ziel zu kommen, Zudem muss der Gesetzgeber solche Erlasse für alle denkbaren Situation schaffen und er darf sich nicht einfach auf die bloss subsidiäre Generalklausel verlassen.

Gerade bei der Abwehr von Naturgefahren kann nun die polizeiliche Generalklausel unter Umständen wichtig sein. Allerdings muss auch hier das Subsidiaritätsprinzip beachtet werden.

Weil die Kantone nun kaum Vorschriften über den organisatorischen Schutz vor Naturgefahren enthalten, hat die polizeiliche Generalklausel gerade hier eine sehr grosse und wichtige Bedeutung.

Die Anwendung der polizeilichen Generalklausel ist immer heikel und schwierig, weil die Abgrenzung von unerlaubten Massnahmen oftmals sehr schwer ist. Sie verlangt unter Zeitdruck wichtige Ermessenentscheidungen mit grossen Auswirkungen und daher grosser Verantwortung.

Klare gesetzliche Regelungen als Zuständigkeits- und Kompetenznormen wären daher sehr wichtig. Hier besteht ein politischer Handlungsbedarf.

EINZELNE RECHTLICHE REGELN

Zivilrechtliche Regelungen

Die Haftung des Grundeigentümers für Naturgefahren

Von einem Grundstück ausgehende Naturgefahren

Viele Naturgefahren haben keinen konkreten Entstehungsort, dem sie zugeordnet werden können (z.B. Hochwasser). Bei anderen gibt es aber einen definierbaren Entstehungsort (z.B. Lawinenanrissstelle, Abbruchstelle eines Felssturzes). In diesem zweiten Fall stellt sich prinzipiell die Frage, ob der Eigentümer des "Entstehungsgrundstücks" für das Auftreten des Naturereignisses haftbar gemacht werden könne. Immerhin gibt es ja die Grundeigentümerhaftung von Art. 679 ZGB.

Die Frage nach einer Haftung des Eigentümers des "Entstehungsgrundstücks" kann klar verneint werden: Die Grundeigentümerhaftung setzt nämlich irgendein Überschreiten der Eigentumsbefugnis voraus, also ein bewusstes Handeln des Grundeigentümers. Eine Naturgefahr liegt aber ausserhalb seiner Handlungsmacht.

Die zweite Frage, die sich in bezug auf den Eigentümer des Entstehungsgrundstücks stellt ist diejenige nach der Schutz- und Abwehrpflicht bzw. nach einer Art Garantenstellung. Zu fragen ist also, ob der Eigentümer des Entstehungsgrundstücks irgendwelche prophylaktische Massnahmen ergreifen muss. Auch das ist grundsätzlich in bezug auf reine Naturgefahren zu verneinen. Insbesondere gilt hier klar der Gefahrensatz nicht. Grundsätzlich kann also eine Schutzpflicht des Eigentümers des Entstehungsgrundstücks klar verneint werden.

Die Entstehungsgrundstücke gehören sehr oft öffentlichen Körperschaften (Kantonen, Gemeinden) . Das soeben Gesagte gilt auch für sie. Allerdings sind diese öffentlichen Körperschaften dann unter Umständen aufgrund ihrer allgemeinen öffentlichrechtlichen Schutzpflicht durchaus gezwungen, Schutzmassnahmen zu ergreifen. Das hat aber nichts mit ihrer Eigentümerstellung zu tun.

Vereinzelt legen Kantone fest, dass Eigentümer von Grundstücken in Bauzonen auf ihre Kosten dafür sorgen müssen, dass von ihrem Grundstück keine Gefahren (z.B. durch Steinschlag) ausgehen. Hier schafft das öffentliche Recht eine für den fraglichen Kanton geltende Handlungspflicht und deren Verletzung einen Grund für eine Haftung. Diese Regelungen sind aber eine Ausnahme.

Interessantes Neuland betritt man, wenn man die Frage nach der Haftung es Eigentümers von Schutzwald wegen Vernachlässigung des Waldunterhalts aufwerfen möchte. Die Bestimmungen über die Grundeigentümerhaftung (Art. 679 ZGB) oder die Werkeigentümerhaftung (Art. 58 OR) finden sicher keine Anwendung. Besteht aber eine Garantenstellung, deren Verletzung haftungsbegründend sein kann? In der Praxis wird sich diese Frage kaum je stellen, denn der Nachweis des adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen der fehlenden Waldpflege und dem Schadenseintritt dürfte kaum zu erbringen sein.

Haftung des von Naturgefahren bedrohten Grundstücks

Soweit der Eigentümer eines von Naturgefahren bedrohten Grundstücks mit Schäden rechnen muss, steht logischerweise keine Haftung zur Diskussion. Es geht dann ja darum, dass der Eigentümer geschädigt ist. Es stellt sich einzig die Frage, ob und wieweit er sich gegen diese Gefahr versichern kann.

Diffiziler wird die Frage aber, ob dieser Eigentümer des betroffenen Grundstücks allenfalls Dritten (Benutzern, Mietern usw.) wegen der drohenden Gefahren haftet. Hier ist wiederum festzustellen, dass dieser Grundeigentümer natürlich keine Haftung für die Naturgefahr an sich trägt, denn sie steht ja vollständig ausserhalb seiner Macht. Es stellt sich aber die Frage, wieweit er gegenüber Dritten eine Garantenstellung innehat und wieweit er daher Abklärungen und Vorsichtsmassnahmen treffen muss.

Sobald der Grundeigentümer eines potentiell gefährdeten Grundstücks Dritten vertraglich das Grundstück zur Verfügung stellt (z.B. zur Benutzung als Werkplatz, als Campingplatz, als Miet- und Pachtobjekt, als Hotel usw.) so muss man von einer solchen Garantenstellung ausgehen. Der Grundeigentümer trägt eine Verantwortung dafür, dass er eine solche Baute oder Anlagen nicht in gefährdete Gebiete hineinstellt (1. Garantenpflicht). Zudem muss er die Entwicklung beachten und nötigenfalls Massnahmen (z.B. Evakuationen) ergreifen (2. Garantenpflicht). Verletzt er diese Pflichten, so wird er haftpflichtig.

Ich würde diese Haftpflicht zunächst direkt aus den allgemeinen Grundsätzen der schweizeri-schen Rechtsordnung ableiten. Es ist ein spezieller Aspekt der Verkehrssicherungspflicht, der eng mit dem Gefahrensatz verwandt, mit diesem aber nicht identisch ist. Es geht hier nicht darum, dass jemand eine Gefahr schafft, aber dass er im Rahmen der Nutzung seines Eigentums bestimmte Gefahren in Kauf nimmt. Dies muss zu einer analogen Schutzpflicht im Interesse der Verkehrssicherheit führen. Diese Verkehrssicherungspflicht führt zu einer GARANTENSTELLUNG der entsprechenden natürlichen oder juristischen Person.

Auf diese Verkehrssicherungspflicht kann sich jedermann berufen . Die entsprechende Haftpflicht beschränkt sich nicht nur auf Vertragspartner.

Darüber hinaus wird sie sich aber gegenüber dem Vertragspartner auch aus dem jeweiligen Vertrag (Mietvertrag, Transportvertrag) ableiten lassen und daher den Charakter einer Vertragshaftung haben.

Selbstverständlich besteht diese Verkehrssicherungspflicht nur für vorstellbare und erkennbare Naturgefahren (gemeint ist die Erkennbarkeit der potentiellen Gefahr als ungewisser Möglichkeit, nicht die Möglichkeit der konkreten Verwirklichung dieser Gefahr).

Haftung des Eigentümers (Betreibers) von gefährdeten Anlagen

a) Werkeigentümerhaftung nach Art. 58 OR

Nun sind nicht nur Grundstücke Naturgefahren ausgesetzt, sondern auch Anlagen (Strassen und Bahnen, Seilbahnen usw.). Für solche Anlagen und Bauten besteht die Werkeigentümerhaftung nach Art. 58 OR, wenn sie mangelhaft konstruiert oder mangelhaft unterhalten sind.

Selbstverständlich meint diese Gesetzesnorm primär die eigentliche Konstruktion der Anlage selber, von der keine Gefährdung ausgehen darf. So muss jede Anlage stabil konstruiert und mit den notwendigen und üblicherweise geforderten Sicherheits- und Schutzeinrichtungen ausgerüstet sein. Sekundär muss die Anlage aber auch so konstruiert sind, dass sie potentiellen Naturgefahren standhält und die Benutzer keinen solchen Gefahren aussetzt. Damit kann man argumentieren, dass auch die Werkeigentümerhaftung nach Art 58 OR zum Zuge kommen kann, wenn möglichen Naturgefahren nicht genügend Rechnung getragen worden ist.

b) Garantenstellung zufolge der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht Auch hier kommt die oben beschriebene allgemeine Verkehrssicherungspflicht zur Anwendung, welche ein genereller Grundsatz der Schweizerischen Rechtsordnung bildet. Wer Gefahren schafft oder Menschen in gefährdete Gebiete führt, bzw. zum Betreten gefährdeter Gebiete veranlasst, trägt die Verantwortung für den Schutz vor den entsprechenden Gefahren. Es besteht eine Garantenstellung.

Zu dieser Verkehrssicherungspflicht gehören bauliche Schutzmassnahmen, Warndienste und nöti-genfalls Gebietssperrungen, falls sich eine potentielle Gefahr aktualisieren sollte. Für den Bereich des Wintersportes (Skipisten usw.) ist diese Regelung ziemlich allgemein anerkannt. Sie lässt sich aber auch auf den Sommertourismus übertragen. So besteht diese allgemeine Verkehrssicherungspflicht ohne Zweifel auch im Sommer für Bergbahnen sowie für Tourismusorganisationen (z.B. Fremdenverkehrsvereine), welche Wanderkarten, Wandertipps usw. herausgeben.

Zum Teil wird diese Haftung aus der Verkehrssicherungspflicht auch als Vertrauenshaftung bezeichnet, weil durch die Herausgabe von Wanderkarten, durch das Anbringen von Wegweisern usw. ein Vertrauen des Benutzers geschaffen werde. Diese Bezeichnung ist durchaus richtig. Diese sogenannte "Vertrauenshaftung" kann aber als identisch mit der genannten Haftung aus der Verkehrssicherungspflicht bezeichnet werden.

Bemerkenswert ist, dass diese Haftung unabhängig von der Grundeigentümerstellung besteht. Der "Veranstalter" (z.B. Bergbahn, Tourismusorganisationen, Wanderwegorganisationen usw.) haftet auch dann, wenn die fraglichen Wege über fremdes Grundeigentum gehen und wenn die entsprechende Gefahr von einem fremden Grundeigentum ausgeht. Diese Haftung ist ausservertraglicher Natur. Sie besteht nicht nur für diejenigen Personen, welche ein Bahnbillett gelöst und damit die Bergbahn in Anspruch genommen haben, sondern für alle Personen, welche das fragliche Gebiet gestützt auf die entsprechenden Werbungen, Wanderkarten, Beschriftungen usw. betreten.

Diese Haftung ist ausserordentlich streng. Ihre Begrenzung muss sie über die Bestimmung des Schadenersatzes im Sinne von Art. 43 OR finden. Der Richter muss hier gemäss den gesetzlichen Vorgaben allen Umständen und insbesondere auch der Grösse des Verschuldens Rechnung tragen. Diese Gesetzesnorm gibt dem Richter die Möglichkeit, der Eigenverantwortung des Wanderers usw. Rechnung zu tragen. Sie erlaubt es aber auch, die Intensität der drohenden Gefahr zu gewichten.

Zu beachten ist aber, dass diese Haftung eine klare Verschuldenshaftung ist, wobei der Geschädigte die Beweislast für das Vorliegen eines Verschuldens trägt. Mit anderen Worte: Nicht schon der Eintritt des Unfalles/Schadenfalles löst die Haftpflicht und den Schadenersatz aus. Eine Haftpflicht besteht nur dann und nur soweit, als einer konkreten natürlichen oder juristischen Person effektiv ein Vorwurf der pflichtwidrigen Unvorsichtigkeit gemacht werden kann. Hier hat der Richter ein grosses Ermessen und eine grosse Verantwortung.

Haftung des Beauftragten Im Zusammenhang mit Naturgefahren werden immer wieder Aufträge (Art. 394 ff. OR) an Ingenieure, Geologen usw. erteilt. Es geht einerseits um die Feststellung von Gefahren (Gefahrenkataster, Gefahrenkarten) und andererseits um die Planung von Schutzmassnahmen.

Im Rahmen eines derartigen Auftrages trägt der beigezogene Ingenieur (jeder Art) bzw. Geologe die normale, vertragliche Haftung gemäss Art. 398 OR. Er hat sorgfältig im Interesse des Auftraggebers zu handeln. Grundsätzlich handelt es sich dabei auch um eine Verschuldenshaftung. Da das Verschulden aber vermutet wird, kann sich der Beauftragte nur dann der Haftung entziehen, wenn er konkret seine Unschuld beweisen kann, was meist sehr schwierig ist.

Der Beauftragte haftet seinem Auftraggeber als Vertragspartner. Die vertragliche Haftung ist immer eine Beziehung zwischen zwei Personen. Dritte können sich nicht darauf berufen.

Die Haftung bei der Planung und Leitung baulicher Massnahmen ist grundsätzlich eine normale Bauhaftpflicht. Hier zu sind keine besondere Bemerkungen anzubringen.

Schwieriger ist die Frage nach der Vertragshaftung bei reinen Sachverhaltsaufnahmen (Aufnahme von Gefahrenkatastern, Registrierung von Gefahrenzonen usw.). Hier ist es relativ selten, dass der Auftraggeber direkt geschädigt wird. Der Auftaggeber kann aber einen Schaden erleiden, weil er von Dritten im Rahmen einer der beschriebenen ausservertraglichen Haftungen belangt wird. Dieser so erlittene Schaden kann er dann unter Umständen dem Auftragnehmer gegenüber wiederum geltend machen. Es handelt sich dabei nicht nur um eine Regressforderung, sondern um eine eigentliche, vertragliche Haftung.

Bedeutung deiner genauen Auftragsdefinition

Meist geht es bei derartigen Aufträgen um Spezialfälle, welche nicht durch irgendwelche vorformu-lierte Vertragsbedingungen wie SIA-Normen und -Ordnungen reguliert werden. Damit besteht ein besonderes Bedürfnis nach einer genauen Auftragsumschreibung, welche die Pflichten, aber auch die Grenzen der Tätigkeit genau definiert.

Durch eine genaue Auftragsdefinition kann das eigene Risiko sowohl erkannt wie auch eingeschränkt werden. Damit kann die Haftpflicht im Griff behalten werden.

Beizug eines Fachmannes in kritischen Fällen

Ausgangspunkt

Es kommt immer wieder vor, dass vor allem Fachleute, vor allem Ingenieure und Geologen kurzfristig zu einer kritischen Situation gerufen werden, weil akute Probleme vorhanden sind (z.B. drohender Felssturz, anormale Geländebewegungen). Es geht also darum, dass sich eine latent vorhanden Naturgefahr unmittelbar zu verwirklichen droht. Zustandekommen eines Auftrages

Wenn ein Fachmann in einem solchen Problemfall gerufen und um Mithilfe angegangen wird, so entsteht zwischen der auftragserteilenden Person und diesem Fachmann (Ingenieur, Geologen usw.) ein Auftrag im Sinne von Art. 394 ff OR. Dies gilt ausdrücklich auch dann, wenn sich die beteiligten Parteien dessen nicht bewusst sind.

Dabei besteht häufig Unklarheit, wer der Auftraggeber ist: Wird der Auftrag durch eine Gemeinde, durch den Kanton oder durch einen Privaten erteilt? Diese Frage muss sofort und eindeutig geklärt werden. Sie bestimmt einerseits, wer dem Beauftragten Weisungen zu erteilen hat. Sie bestimmt aber auch, wem gegenüber die vertragliche Haftpflicht besteht.

Haftungseinschränkung

Wer erst in einem solchen akuten Problemfall zugezogen wird, trägt selbstverständlich grundsätzlich keine Verantwortung und Haftung für das Entstehen dieses Problemfalles, weil er ja bisher nicht beteiligt war. Im nachhinein wird aber die Abgrenzung schwierig sein. Es ist daher notwendig, dass im Zeitpunkt der Übernahme dieses "Notfallmandates" klargestellt wird, welche Probleme bereits ohne jede Verantwortung des beigezogenen Ingenieurs oder Geologen entstanden sind.

Ebenso ist zu beachten, dass der kurzfristig beigezogene Fachmann meist ohne detaillierte Kenntnis der Situation und ohne lange Vorabklärungen und Nachrechnungen Massnahmen anordnen muss. Auch hier besteht ein Bedarf, die Haftung in Anbetracht der besonderen Umstände einzuschränken. Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch der im Problemfall beigezogene Fachmann der allgemeinen Sorgfaltspflicht gemäss Art. 398 OR unterliegt. Er muss daher soweit möglich alle Daten eruieren und soweit es die zeitlichen Verhältnisse zulassen, auch möglichst alle Berechnungen vornehmen.

Besteht Deckung der Haftpflichtversicherung ?

Wer solch schwierige Mandate übernimmt und insbesondere in Notfallorganisationen mitwirkt, unterliegt einem recht grossen Haftpflichtrisiko. Er bedarf daher unbedingt des Versicherungsschutzes.

Nun ist aber zu beachten, dass solche Tätigkeiten normalerweise durch die üblichen Berufshaftpflichtversicherungen nicht abgedeckt sind. Erst recht besteht kein Versicherungsschutz über die Privathaftpflichtversicherung. Hier besteht also ein Abklärungsbedarf bzw. ein Bedarf nach einer zusätzlichen Versicherungsdeckung.

Verhalten in Schadenfällen Auswirkungen des Strafrechts auf die zivilrechtliche Haftung

Rein rechtlich (theoretisch) sind die Bereiche Strafrecht einerseits und zivile Haftpflicht andererseits klar getrennt. Ein Schuldspruch im Strafrecht bewirkt noch nicht automatisch eine zivilrechtliche Haftung und ein strafrechtlicher Freispruch befreit nicht automatisch von der zivilrechtlichen Haftung. Es sind an sich widersprechende Urteile möglich und denkbar.

In der Praxis geht es aber ganz anders: Das strafrechtliche Urteil hat in fast allen Fällen Leitfunktion für die zivilrechtliche Haftungssache und es bewirkt eine weitgehende Vorentscheidung. Daher ist das Strafverfahren auch zivilrechtlich von grösster Bedeutung.

Grundsätzliches zum Strafverfahren

Bei grösseren Unfällen, insbesondere bei der Tötung oder Verletzung von Menschen beginnen die Polizei und der Untersuchungsrichter sofort mit Befragungen und Abklärungen im Hinblick auf die Eröffnung eines Strafverfahrens. Meist werden die ersten Befragungen noch auf der Unfallstelle durchgeführt (Aufnahme eines Polizeirapportes usw.).

Diese ersten Aussagen sind in aller Regel für das ganze weitere Verfahren, für die strafrechtliche Beurteilung und später für die haftpflichtrechtliche Regulierung des Schadenfalles von entscheidender Bedeutung. Es ist daher äusserst wichtig, dass in dieser frühen Phase keine unbedachten und voreiligen Aussagen gemacht werden.

Luzern, 20. Februar 2001

Dr. Urs Hess-Odoni
Rechtsanwalt und Notar
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