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Abschaffung des Libor

Wenn der Libor abgeschafft wird, kommen mehrere Nachfolger als Referenzzins für Libor-Hypotheken infrage. Klar ist heute schon, dass nicht nur neue Verträge von der Umstellung betroffen sein werden.
NZZ vom 14.9.2017, Michael Schäfer

Auf zahlreiche Schweizer Hypothekarkunden kommt eine bedeutende Änderung zu. Die Zukunft des Libor, der als wichtigste Referenzgrösse für kurzfristige Zinssätze gilt und auf den Konditionen basiert, zu denen sich Banken gegenseitig Geld leihen, ist nämlich höchst unsicher. Da mit den Libor-Hypotheken die Zinsen einer in der Schweiz beliebten Form der Immobilienkredite an diese Grösse gekoppelt sind, werden viele Hausbesitzer von allfälligen Veränderungen betroffen sein. Und dass es zu einem grossen Schnitt kommen wird, gilt inzwischen als sicher. Zu heftig war die Kritik am Libor, der vor einigen Jahren im Mittelpunkt eines Manipulationsskandals stand. Mit Blick auf die laufende Diskussion geht es also weniger um das Ob, sondern mehr um das Wann und das Wie.

Die Reaktion der Banken auf das Ende des Libor ist unklar
Nach Einschätzung vieler Marktteilnehmer ist damit zu rechnen, dass der Libor spätestens Ende 2021 abgelöst wird. Ab diesem Zeitpunkt wird die britische Finanzmarktaufsicht FCA die sogenannten Panel-Banken nicht mehr auffordern, Sätze zu melden, die zur Festsetzung des Libor herangezogen werden. Dies bedeutet, dass zahlreiche Libor-Hypotheken, die vor nicht allzu langer Zeit abgeschlossen wurden oder künftig abgeschlossen werden, mit grosser Wahrscheinlichkeit von dem Übergang betroffen sein werden. Denn Libor-Hypotheken, bei denen der Zinssatz in kurzen Intervallen von meist drei oder sechs Monaten an die dann geltenden Marktkonditionen angepasst wird, werden in der Regel mit einem Rahmenvertrag abgeschlossen. Und dieser Rahmenvertrag besitzt häufig eine Laufzeit von drei oder fünf Jahren.

Angesichts des absehbaren Auslaufens des Libor tut sich hinter den Kulissen viel, und in etlichen Ländern wird bereits an Nachfolgelösungen gearbeitet. In der Schweiz gilt die Swiss Average Rate Overnight (Saron), die von der Schweizerischen Nationalbank und der SIX Swiss Exchange entwickelt wurde, als aussichtsreicher Kandidat. Im Gegensatz zum Libor, der auf Einschätzungen basiert, stehen hinter dem Saron tatsächlich getätigte Transaktionen und handelbare Referenzpreise. Für Hypothekarschuldner, aber auch für Anleger – neben den Konditionen von Libor-Hypotheken sind auch jene von zahlreichen anderen Finanzprodukten an den Libor gekoppelt – hätte dies den Vorteil, dass die Anfälligkeit für Manipulationsversuche wegfiele.

Ob die hiesigen Banken den Saron als künftigen Referenzzins für Geldmarkt-Hypotheken heranziehen werden, steht jedoch noch in den Sternen. Auf Anfrage antworteten die Credit Suisse, Raiffeisen und die UBS, dass sie die Situation evaluieren, zum heutigen Zeitpunkt aber keinerlei Aussagen machen wollen, wie die künftige Lösung und der Übergang dahin aussehen könnten.
Saron funktioniert anders - und wird wahrscheinlich tiefer liegen

Dass die Banken heute noch keine konkreten Antworten liefern wollen, mag an der Tatsache liegen, dass der Saron neben der Art und Weise des Zustandekommens noch weitere Unterschiede zum Libor aufweist: So werden für Geldmarkt-Hypotheken Referenzzinssätze mit den korrespondierenden Laufzeiten verwendet, etwa bei Krediten, bei denen der Zins alle drei Monate angepasst wird, der Drei-Monate-Libor. Der Saron ist dagegen ein Tagesgeldsatz, ein ebenso liquides Pendant mit einer drei- oder sechsmonatigen Laufzeit gibt es derzeit nicht.
Nicht nur neue Verträge werden von der Umstellung betroffen sein.

Auch wenn sich der Saron über längere Zeit ähnlich wie der Drei-Monate-Libor bewegt hat, steht zu erwarten, dass er in der Regel tiefer ausfallen wird, schon allein wegen der kürzeren Laufzeit. Verstärkt wird dieser Unterschied noch dadurch, dass der Saron auf Transaktionen basiert, die besichert sind, während der Libor die Konditionen reflektiert, zu denen sich Banken unbesichert Gelder ausleihen. Um die sich ergebende Differenz auszugleichen, müssten die Institute dann einen höheren Aufschlag auf den künftigen Referenzzins anwenden, wollen sie nicht weniger verdienen als heute.
Vor Abschluss einer Libor-Hypothek sollten Konditionen genau geprüft werden

Dies wäre ein vergleichsweise verkraftbares Übel. Solange sie unter dem Strich nicht mehr zahlen müssen, wären die höheren Aufschläge lediglich eine psychologische Belastung für die Kunden. Es kann aber auch anders kommen. Die Banken sind nämlich keineswegs verpflichtet, den Saron als neuen Referenzzins zu übernehmen. In der Vergangenheit sei man diesbezüglich etwas verwöhnt gewesen, weil sich der Libor als starker Standard etabliert gehabt habe, sagt Sebastian Angst von der auf Finanzierungsberatung spezialisierten Firma Pro Ressource.

Grundsätzlich möglich sei auch, dass die Banken unterschiedliche Referenzzinssätze anwendeten. Dass sich bisher kein Institut dahingehend geäussert hat, die naheliegende Lösung Saron zu wählen, macht manchen Beobachter skeptisch. Denkbar sei auch, dass die Banken an einem eigenen, weniger transparenten Referenzzins arbeiteten. Immerhin sei der anstehende Systemwechsel eine gute Gelegenheit, die Margen zu erhöhen. Angst erinnert an die Situation nach Einführung der Negativzinsen. Damals seien viele Kunden quasi en passant mit den periodischen Schreiben, in denen die neuen Zinssätze für die Libor-Hypothek mitgeteilt würden, darauf hingewiesen worden, dass nie ein tieferer Referenzsatz als null für die Berechnung des Zinses einer Libor-Hypothek angewendet werde.

Die Unsicherheit bezüglich der anstehenden Umstellung sollte Kreditnehmer zwar nicht davon abhalten, eine Libor-Hypothek abzuschliessen. Es dürfte jedoch ab sofort ratsam sein, die Bank vor dem Abschluss einer Libor-Hypothek zu befragen, wie eines Tages die Umstellung ablaufen wird, und sich den Kreditvertrag sowie auch die späteren periodischen Schreiben genau anzuschauen.