Benutzer: Gast

SIA 102, 103, 105, 108

«Ein Haarschnitt kostet mehr als eine Ingenieurstunde », titelte Heinz Marti voreiniger Zeit seinen Gastkommentar in der NZZ.

Er wies auf die seit Jahren andauernde Tiefpreisproblematik bei Ingenieuraufträgen hin.
Man rechne: Verlangt ein Ingenieurbüro ein Honorar von 80.- Fr. pro Stunde, was bei öffentlichen Aufträgen nicht selten der Fall ist, kannes seinem mitarbeitenden Ingenieur, Gemeinkosten abgerechnet, höchstens einen Lohn von 40.- Fr. pro Stunde oder rund 80'000.- Fr. pro Jahr auszahlen.
Wenn Ingenieure oder Architekten während ihrer Arbeitszeit in Weiterbildung investieren oder an Wettbewerben teilnehmen, erhöhen sich die Gemeinkosten der Büros erheblich, und die Löhne müssten entsprechend gesenkt oder die Honorare erhöht werden.
Bis vor wenigen Jahren hatte der Schweizerische Ingenieur-und Architektenverein (SIA) und bis 2017 die Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB) noch Honoraransätze publiziert, die von durchschnittlichen, im Vergleich zu anderen akademischen Berufen eher tiefen Löhnen und angemessenen Gemeinkosteneines Büros ausgingen.

Das gefiel der Eidgenössischen Wettbewerbskommission (Weko) nicht. Sie forderte sowohl vom SIA als auch von der KBOB, auf die Publikation von Honoraransätzen zu verzichten. In Anbetracht möglicher happiger Bussen verzichteten beide Organisationenab Mitte 2017 darauf.
Diese Weko-Massnahme verkennt die Marktverhältnisse völlig. Sie ist vor allem für private, nichtprofessionelle Bauherren ein Rohrkrepierer. Während öffentliche und professionelle private Bauherren sich vermutlich noch lange auf die alten (nicht mehr publizierten) Honoraransätze der KBOB stützen, haben die Privaten keine Anhaltspunkte mehr, wie das Honorar von Architekten und Ingenieuren berechnet bzw. vereinbart werden soll und was angemessen oder überrissen wäre. Am eigentlichen Ziel des Konsumentenschutzes hat die Weko tüchtig vorbeigeschossen.

Woran sollen sich nun private, nichtprofessionelle Bauherren orientieren? Das Honorar ist ja nur die eine Seite der Medaille. Die andere – und weit wichtigere– Seite ist die Fachkompetenz. Ein Architekt, der nicht weiss, wie ein dichtes Flachdach konstruiert werden muss, ist auch das billigste Honorar nicht wert.
Verdeckte Mängel tauchen in der Regel erst nach Ablauf der Verjährungsfristen auf, und der Bauherr trägt dann die Mängelbehebungskosten selber.
Wie bestimmt man nun ein faires und angemessenes Honorar?
Ausgangspunkt ist die Beschreibung der Leistung. Daraus ergibt sich, welche Anforderungen an die Kompetenz des Ingenieurs oder des Architekten gestellt werden müssen. Die von der KBOB noch 2017 empfohlenen maximalen Stundenansätze, abgestimmt auf die Funktion, Ausbildung und Erfahrung sowie Aufgabe der Fachleute, betrugen für einen Architekten oder Ingenieur mit Sachbearbeiterfunktion 130.- bis 150.- Fr. pro Stunde, für jemanden in einer leitenden Funktion 150.- bis 180.- Fr. und für einen Chefprojektleiter eines komplexen Projekts 180.- bis 230.- Fr.
Für kleinere Aufträge oder solche, deren Aufwand im Voraus schwierig abzuschätzen ist, empfiehlt sich die Vereinbarung eines Honorars im Zeitaufwand, allenfalls mit Budget oder Kostendach.
Ist die Leistung klar definiert, kann eine Pauschale vereinbart werden. Für grössere und komplexere Bauvorhaben soll das Honorar nach der Schwierigkeit der Bauaufgabe und den Baukosten bestimmt werden.
Dabei haben die von der Weko kritisierten SIA-Honorarberechnungsmodelle nach den Baukosten gute Dienste geleistet und eine auch für den Bauherrn faire Honorierung gewährleistet.
Der SIA hat angekündigt, neue Honorarformeln auszuarbeiten, die «Weko-tauglich» sein sollen.

Hans Rudolf Spiess, www.baurecht.ch, in NZZdomizil vom 27.10.2018

Seit 1. Nov.2018 hat der SIA folgendes Kalkulationstool für die Aufwandschätzung in Abhängigkeit der Baukosten aufgeschaltet, bei welchem der Median in etwa den alten Normen entspricht.

lho.sia.ch