Architekturdebatte: Frank Owen Gehry
Jens Hirsch
Frank Owen Gehry
22.07.04, 09:58
Entschuldigt meine Polemik und den plötzlichen Einstig:
Frank O. Gehrys Architektursprache erscheint äußerst eintönig und ist ohne Abwechslung. Während Ludwig Mies van der Rohe eine einzigartige eigene Sprache entwickelte, die zwar oft kopiert wurde, jedoch niemals erreicht wurde, stellen Gehrys Bauten meist nichts als verschlungene Kuben mit verzerrten Oberflächen dar, die mit neuartigen metallischen Materialien, die wohl die Akanthusblätter des 21. Jahrhunderts sind, versehen sind. Wie Ghery selbst sagt, ist das Guggenheim Museum der vorläufige Höhepunkt seiner Architektur, nachdem er seine Architektursprache, wenn man den die zerfetzten Kuben so nennen will, von der Umgestaltung seines eigenen Hauses bis hin zu Bilbao weiterentwickelt hatte. Damit mag Gehry durchaus Recht haben, aber was soll nach Bilbao kommen? Bereits die Disney-Concert-Hall offenbart, dass das beim Guggenehim Museum angewandte Konzept ausgereizt ist und zumindest durch Gehry keine entscheidende Weiterentwicklung mehr erfahren wird. Auch seine Bauten aus der Zeit vor Bilbao weisen keine Qualitäten auf, die Gehrys heutigen Ruhm bekräftigen können. Sicherlich ist ein gewisser Reifeprozess zu erkennen, aber trotzdem bleibt Gehry nur ein durchschnittlicher Dekonstruktivist, der allerdings durch seine publikumsgefälligen Bauten in einfacher aber eben auch recht einzigartiger Architektursprache leicht Fürsprache gewinnt. Das Guggenheim Museum erscheint in seinem ganzen OEuvre eher ein Ausrutscher zu sein, der wohl kaum zu wiederholen sein wird. Teilweise baut Gehry aber nicht nur durchschnittliche Häuser, sondern auch wirklichen Kitsch in pseudoexpressionistischem Stil. Als Beispiel wäre hier das Chiat/Day building zu nennen, das Gehry 1991 für eine Werbeagentur baute. Besonders deutlich wird Gehrys fehlendes Können dadurch, dass er bei der Gestaltung seiner Bauten, lediglich Wert auf die Verpackung legt und keine Struktur preisgibt, sondern sowohl bei der Disney-Concert-Hall, als auch beim Guggenheim Museum in Bilbao und erst im Jahr 2003 Bard College Theater in Annandale einen beinahe gleichaussehenden Grundkörper verwendet und diesen dann lediglich mit amorphen spiegelnden Flächen „verpackt“ (Verpackungsarchitektur). Durch die Amorphität steht Gehry natürlich eine fast unausschöpfliche Anzahl möglicher Verpackungen zu Verfügung, so dass sein eigentlicher Mangel an Kreativität zumindest bis jetzt nicht wahrgenommen wird. Gerade die Verpackung macht Gehrys Bauten eher zu übergroßen Skulpturen als zu Architektur und die theoretischen Grundlagen auf die sie alle Dekonstruktivisten berufen, lassen ihre Bauten wie im Falle von Liebeskinds Jüdischem Museum in Berlin eher als Installationen erscheinen. Im Falle von Liebeskinds Jüdischem Museum ist es die Verarbeitung von außerarchitektonischen Motiven, im Falle von Gehry ist es jene von meta-architektonischen (vgl. metaphysische), die ihre Baute zu Stilen herabsetzen, so dass sie nicht mehr als Architektur zu bezeichnen sind (Stil-Kritik, Klassizismus-Kritik), da sich Gehry ebenso wie alle Klassizisten und Postmodernisten damit begnügt Antworten auf bereits bestehende wahre Architektur zu geben, indem er sie karikiert, anstatt sie zu verarbeiten, was jedoch, um ernstgenommen zu werden, nötig wäre, da er nämlich in keiner neuen Architekturrichtung baut, sondern sich immer noch auf bestehende Architektur beruft.
Den Massengeschmack trifft er (zumindest bis jetzt und wahrscheinlich zumindest auch in naher Zukunft) trotz alledem sehr gut und lässt sich wohl zusammen mit der Postmoderne in die Pop-Art des Bauens einordnen. Damit schaufelt sich Gehry jedoch sein eigenes Grab, da die Masse sehr schnell nach Veränderungen verlangt, Gehry wie man sieht nicht allzu vielseitig ist und seine Bauten alles andere als zeitlos sind, womit wir wieder bei Ludwig Mies van der Rohe wäre, dessen Seagram Building, jener mystisch elegante Solitair im Herzen Manhattans, wohl bis in alle Ewigkeit als Meilenstein der (Hochhaus-)Architektur anerkannt werden wird, da er keinen vergänglichen Stil repräsentiert, sondern reine Architektur symbolisiert, nämlich das Streben nach Vollendung, welche nicht durch die Übernahme fremder Elemente geschehen kann, sondern nur aus eigener geistiger Schöpfung des Architekten.
nplus
Re: Frank Owen Gehry
17.08.04, 16:24
wer ist dir auf die füsse getreten?wenn du schon generell über die dekonstruktivisten herziehst würde ich dir eine vertiefung des themas empfehlen. man merke: dekonstruktion ist nicht gleich gehry, oder libeskind, oder eisenman, oder hadid oder tschumi. gehry sieht sich im übrigen selbst nicht als dekonstruktivisten genau wie sich die anderen genannten sich auch nicht als dekonstruktivisten sehen.
bei der dekonstruktion handelt es sich um eine richtung der literaturtheorie, später philosophie die sich mit den fragen der strukturen, respektive nichtstrukturen und deren zwischenräumen auseinandersetzen. sogenannte dekonstruktivisten in der architektur beschäftigen sich also mit nichtstrukturen, strukturüberlagerungen, zwischenräumen, simulation, hülle etc. was zu einer veränderten wahrnehmung und auffassung von ästhetik und architektur führt oder führen kann (sofern man bereit ist, zumindest zuzuhören).
der vergleich mit mies wäre eigentlich interessant. doch ein oberflächlicher "geschmäcklerischer" draufhaltediskurs ist wohl nicht angebracht. vielmehr stellt sich die frage wie die jeweiligen vertreter in einem diskurs zu ihrer zeit eingebunden waren und wie sie zeitgenössische themen umsetzten oder umsetzen. so ist nicht verwunderlich, dass ein mies, mit less is more eine gesellschaft der absoluten technik-gläubigkeit widerspiegelt, während gehry sich in einer gesellschaft der multiplizität, vielschichtigkeit und symbolik bewegt. es wäre von zeit zu zeit nicht falsch die umstände mit einzubeziehen. architektur wird nicht einzig durch den architekten sondern vielmehr durch die gesellschaftlichen umstände konstituiert. dies bedeutet nicht, dass der architekt ein hampelmann der gesellschaft ist, sich aber in ihr bewegt und sich in ihr beweisen muss. stefan kurath
Jens Hirsch
Re: Frank Owen Gehry
13.02.05, 21:03
Rein zufällig fand ich eben meinen alten Kommentar zu Gehry und co. (ich schmeiße sie schon wieder in einen Topf) und das sogar mit Antwort:
Dass meine Ansichten über Gehry polemisch und nicht sachlogisch stets gut begründet war wusste ich selbst und habe das auch gleich zu Beginn vermerkt. Das ganze sollte eher als Statement für Mies und nicht als Diffamierung Gehrys gesehen werden, denn wem dessen "Kuben mit verzerrten Oberflächen und den ach so toll in der Sonne bunt schillernden metallischen Oberflächen" (Zitat oder so ähnlich) gefallen, soll sich von mir aus daran erfreuen. Mit ging es deshlab auch nicht so sehr darum, den Architekten in einen bestimmten Zeitgeist oder dessen Antipoden einzuordnen. Ohne die historischen Umstände (und natürlichen die technischen Möglichkeiten) sähe das Gesamtwerk eins jeden Architekten natürlich anders aus, aber im Keim wäre der Grundtypus, wohl ähnlich gewesen. Wenn er zumindest einmal gefunden worden ist, wäre er dann wahrscheinlich aber auch weiterentwickelt oder perfektioniert worden (und jetzt bitte keine Debatte über Perfektion). Sobald Mies den Stahl und das Hochhaus als Thema für sich entdeckt hatte war es meiner Meinung nach nicht mehr zuverhindern, dass er es irgendwann mit dem Seagramm Building oder der Crown Hall des IIT in höchste Sphären schaffen würde und zwar auch wenn es kein "vers une architecture" gegeben hätte. Mal eine Frage zwischendurch: Weiß eigentlich jemand in wie fern Philipp Johnson am Entwurf des Seagram Building beteiligt war? Entweder war er nur Mies' Handlanger oder doch leicht schizophren, denn wer zunächst das Seagram Building baut und dann diesen AT&T-Klotz baut muss entweder sehr wandlungsfähig oder eben doch schizophren sein. (Corbusier hat sich mit der Zeit einfach gewandelt, da er wie ich finde merkte, dass er seine Möglichkeiten in gewisser Weise ausgeschöpft hatte oder eben mit den ursprünglichen Mittel nicht dass erreichen konnte worauf er hinaus wollte, aber mit den "vers une architecture"-Dogmen hat Chandigrah nun wirklich nicht mehr viel zu tun.
Zu deinem zweiten Paragraphen (verzeiht, dass es so etwas bei mir nicht gibt) kann ich nur sagen, dass man meinen Kommentar nicht so verbissen sehen sollte, was beiderseits gilt. Auf Begriffsstreiteren und Definitionsrumreiteren lege ich nun wirklich keinen Wert und ob die von mir genannten Architekten nun ganz genau "Dekonstruktivisten" sind oder irgendetwas anderes sind, ist mir ziehmlich egal, ich glaube die meisten wussten woprauf ich hinaus will. Zu meiner Verteidigung kann ich nur anführen, dass zumindest in irgendeinem relativ unreflektierten Architekturgeschichtsbuch unter den Dekonstruktivisten liefen und von da an halt eben solche waren. Wer sind denn eigentlich dann Dekonstruktivisten und vor allem was sie die von mir aufgezählten? Irgendwie liegt es zumindest näher sie in irgendeine Schublade zu stecken (was man ja wohl der Einfachheit halber wohl noch machen darf) als beispielsweise den zur Zeit einzigartigen Richard Meier, den mann wohl höchstens als sehr säten Epigonen der Klassischen Moderne nennen kann. Fragt sich bloß noch, ob Meier ohne die Zeit ziwschen Klassischer Moderne und seinen Anfängen, also ohne Venturi, Postmoderne usw. seinen Stil gefunden hätte und den selben oder zumindest einen ähnlichen Stil entwickelt hätte, wenn er 1920, 1940, oder 1960 mit dem Bauen begonnen hätte.
Ich hoffe, ich konnte die keineswegs beabsichtigte Verstimmung mildern und wünsche allerseits eine Gute Nacht,
Jens Hirsch